Keine Ausreden mehr für Arbeitgebende

«Menschen mit Behinderung wollen arbeiten, nicht nur beschäftigt werden», mit diesen Worten eröffnet Thomas Ulrich, ehemaliger Präsident des Bankenverbandes, die erste Plattform Integration in Zürich. Rund 200 Unternehmer und HR-Verantwortliche sind der Einladung von Arbeitgeberverbänden, Behindertenorganisationen und SVA Zürich gefolgt.

Bild Podiumsdiskussion mit 6 Personen, Präsentation im Hintergrund informiert über Podiumsteilnehmende: Urs Keller, Alain Klein, Ann-Kathrin Greutmann, Hugo Sonderegger, Niklas Baer; Rückenansicht Publikum

Podiumsdiskussion

"Es hat zwar lange gedauert, bis diese gemeinsame Initiative von Behindertenorganisationen und Arbeitgebervertretung zustande gekommen ist", begrüsst Ueli Nater, Vorstandsmitglied der Behindertenkonferenz Kanton Zürich (BKZ), doch freue er sich sehr. Menschen mit Behinderung müssten mehr Chancen im ersten Arbeitsmarkt haben. Seine Karriere dürfe keine Ausnahme sein, so Ueli Nater. Es müsse und könne mehr getan werden, bestätigt denn auch Martin Kaiser, Mitglied der Geschäftsleitung des schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Martin Kaiser ist auch Präsident des Vereins Compasso, dessen Ziel es ist, Arbeitgeber mit praxistauglichen Tools und Checklisten bei Integrationsfragen zu unterstützen und administrative Prozesse zu vereinfachen. Die gleichnamige Online-Plattform wird stetig ausgebaut.

Befragung: Wie entscheiden Arbeitgeber?

Inklusion fördern, sei nicht einfach nur 'nett', sondern für Unternehmen bald Notwendigkeit wegen der demografischen Entwicklung. Der Vertreter des schweizerischen Arbeitgeberverbandes sagt klar: "Es gibt für Arbeitgebende heute keine Ausrede mehr, sich nicht aktiv für die berufliche Eingliederung zu engagieren." Das Unterstützungsangebot sei vielfältig. Fragt sich also, warum Integration weiterhin keine Selbstverständlichkeit ist? Die Antwort liefert Dr. Niklas Baer, Leiter der Fachstelle für psychiatrische Rehabilitation in Liestal, mit seinen Studienergebnissen. Wer eine Depression durchlebt hat und auf Jobsuche ist, hat es schwer. Eine Befragung von 750 Arbeitgebern im Kanton Baselland brachte zutage, dass es nur gerade Personen mit Schizophrenie oder Alkoholabhängigkeit noch schwerer haben bei der Arbeitssuche. Aber auch wer vermeintlich Gesunde anstelle, habe keine Sicherheit. Anders, wenn die IV von Anfang an an Bord sei, beispielsweise mit Coaching und Einarbeitungszuschüssen Arbeitgebende unterstützt und begleitet.

Eine reife Art, mit psychischen Problemen umzugehen, das verlange auch eine reife Unternehmenskultur. "Themen müssen angesprochen werden. Wenn Vorgesetzte beispielsweise negative Veränderungen bei Mitarbeitenden feststellen - das Verhalten zunehmend schwieriger wird, die Leistung nicht mehr stimmt - müssen sie das ansprechen", rät der Experte. Das brauche 'Courage', sei aber unverzichtbar. Ebenso sei es wichtig, Forderungen zu stellen.

Nicht lange warten, externe Unterstützung holen

In der Plenumsrunde, moderiert von Medienprofi Alex Oberholzer, geht es nochmals um die Erfolgsfaktoren für die Eingliederung aus verschiedenen Perspektiven. "Es geht immer um Zeit. Je früher Arbeitgebende die IV als Partnerin für Prävention und Eingliederung bei gesundheitlichen Problemen einbeziehen, desto grösser ist die Chance auf Erfolg", dies die Erfahrung von Hugo Sonderegger, Eingliederungsberater bei der SVA Zürich. Für die Kontaktaufnahme mit der IV-Stelle gilt: Ist jemand 30 Tage krank oder hat jemand häufig Kurzabsenzen, lohnt sich ein unverbindliches Gespräch mit den IV-Spezialist_innen.

Was zählt, ist die Leistung

Warum es sich für Arbeitgebende lohnt, Menschen mit Behinderung anzustellen, weiss Urs Keller, Geschäftsführer der Liuma Reinigungen AG in Volketswil. Sein Unternehmen wurde dieses Jahr mit dem Zürcher Arbeitgeber-Award "This-Priis" ausgezeichnet. "Es kann nicht sein, dass wir Menschen, die leisten können, ausgrenzen", so Urs Keller. Er habe schon viele Arbeitsversuche gestartet, die meisten konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Natürlich habe es Abbrüche gegeben. Aber es sei ja auch nicht so, dass jede Anstellung von 'gesunden' Mitarbeitenden erfolgreich sei. Funktioniert hat es auf jeden Fall bei Alain Klein, Support Analyst in leitender Stellung bei der UBS. Er vertritt die Betroffenen in der Plenumsrunde. Alain Klein arbeitet seit 15 Jahren für die Grossbank. Der Einstieg war nicht einfach, er hat für seinen Wunsch gekämpft, trotz schwerer Behinderung. Seine Muskeln würden sich zusehends verknöchern, klärt er über die Krankheit auf. Bremsen lässt er sich nicht, arbeitet hundert Prozent. Anerkennung für ihn ist, dass seine Arbeitskollegen sagen, sie würden seine Behinderung gar nicht wahrnehmen.

Gesundheitliche Einschränken klar benennen

"Mich beeindruckt die Motivation und Loyalität von Menschen, wenn wir ihnen eine Chance geben immer wieder aufs Neue", berichtet Ann Kathrin Greutmann, bei der Zürcher Kantonalbank verantwortlich für die Integrationsprogramme. Habe man als Arbeitgeber mit der beruflichen Eingliederung erst mal angefangen, höre man nicht mehr auf. Es folgt eine Intervention von Niklas Baer: "Arbeitgebende sollten das unbedingt mit externer Unterstützung machen". Es brauche Spezialistenwissen, und da sei die IV-Stelle Partnerin für die Arbeitgebende. Es gäbe keinen roten Teppich, der direkt zum ersten Arbeitsmarkt führe, beginnt Niklas Baer sein Schluss-Statement. Man rede viel von der Win-Win-Situation für Arbeitgebende und Mitarbeitende. An die glaubt der Psychologe zwar auch, meint dann mit Realitätssinn: "Zuerst braucht es 'schwitz-schwitz'." In jedem Eingliederungserfolg stecke Arbeit. Und es brauche Offenheit von allen Seiten. Das fange damit an, dass gesundheitliche Einschränkungen klar benannt werden müssten. "Das machen wir nicht gern", weiss Niklas Baer. Es sei jedoch notwendig. Das wirkliche Problem für die Eingliederung sei die Abwehrstrategie. Ziehen alle Beteiligten - Mitarbeitende, behandelnder Arzt/Ärztin, Therapeut_innen, familiäres Umfeld und Arbeitgebende - an einem Strick in die gleiche Richtung, seien die Erfolgschancen gut. Das Fazit? Garantien gibt es nicht, aber wer nicht wagt, kann auch nicht gewinnen.

Informationen zum Unterstützungsangebot für Arbeitgebende:

  • <link https: www.bkz.ch typo3 www.compasso.ch _blank external-link-new-window zur webseite von>Verein Compasso - Online-Plattform mit Toolkit, Checklisten und Beispielen
  • <link https: www.bkz.ch typo3 www.svazurich.ch praevention _blank external-link-new-window zur seite prävention der sva>SVA Zürich, IV-Stelle - Partnerin für Prävention und Eingliederung Information und Beratung für HR-Fachpersonen und Vorgesetzte

Präsentationen Referate

  • Martin Kaiser, Geschäftsleitung schweizerischer Arbeitgeberverband und Präsident Compasso: <link file:377 _blank download zur präsentation des referats von martin compasso>Compasso - Unterstützungsangebote für Arbeitgeber
  • Dr. Niklas Baer, WorkMed: <link file:378 _blank download zur präsentation des referats von niklas workmed>Gesunde anstellen ist das grössere Risiko: Fakten und praktische Hinweise